Einige Gedanken zum computergestützten Fremdsprachenlernen

(von Torsten Schlak, August 2002)

 

Computergestützter Fremdsprachenunterricht hat potentiell viel zu bieten. Das WWW ist eine nahezu unerschöpfliche Quelle aktuellster landeskundlicher und sprachlicher Informationen und bietet zugleich die Möglichkeit der Veröffentlichung von Lehrer- und Lernermaterialien. Email und Chat erlauben Kommunikation zwischen Lehrern und Lernern, Lernern und Lernern, innerhalb und außerhalb des Unterrichts und bis in jedes andere vernetzte (Klassen-)Zimmer dieser Welt. Text, Bild, Film und Ton können zu anregungsreichen multimedialen Lernmaterialien verarbeitet werden. Textverarbeitungs- und -aufbereitungsprogramme, HTML-Editoren, Wörterbuch- und Präsentationssoftware sind effektive Werkzeuge in der Erstellung von fremdsprachlichen Lernertexten und von zur Veröffentlichung bestimmten Projektmaterialien. Computergestütztes Fremdsprachenlernen ist dennoch keine Wunderwaffe und auch kein Patentrezept gegen niedrige Motivation, geringen Lernerfolg und übergroße Klassen. Wie bei allen anderen Unterrichtsmedien gilt auch für den Computer: Es ist nicht das Medium an sich was zählt, sondern die Art und Weise, wie es im Unterricht eingesetzt und verwendet wird. Dies gilt vielleicht in besonderer Weise für den Computer.

 

Die Fremdsprachendidaktik hat seit langem Konzepte für einen erfolgreichen und motivierenden Unterricht entwickelt. Lernerorientierung, autonomes Lernen, interkulturelles  Lernen und Fremdverstehen, handlungsorientiertes Lernen, Projekt- und Gruppenarbeit, innere Differenzierung, DACH, Lesestrategien und kreatives Schreiben sind nur einige wichtige Begriffe aus der fremdsprachendidaktischen Diskussion. Wir müssen aufpassen, dass diese Konzepte im computergestützten Unterricht nicht verloren gehen. Wenn der computergestützte Fremdsprachenunterricht primär aus dem Nachsprechen isolierter Sätze oder aus ideenlosen Grammatikübungen besteht, welche die Lernenden alleingelassen an der Maschine abarbeiten müssen, dann sind wir wieder in der Steinzeit des Fremdsprachenunterrichts angelangt, trotz neuester Rechner und modernster technischer Ausstattung. Warnen möchte ich ebenso vor übergroßen Klassen, auch beim computergestützten Unterricht. Natürlich können wir die Studierenden allein am Computer mit einer beliebigen Lernsoftware arbeiten lassen, verdient haben sie einen solchen Unterricht jedoch nicht. Computerunterrichtsräume mit zahllosen Arbeitsplätzen sind m. E. aus dieser Perspektive wenig sinnvoll und kontraproduktiv.

 

Ich verwende übrigens ganz bewusst den Begriff „computergestützter Unterricht“. Das soll deutlich machen, dass der Computer eine Stütze, ein Hilfsmittel darstellt; der technische Aspekt sollte den Unterricht nicht dominieren. Der Computer unterstützt die Lehrenden, er ersetzt sie nicht. Die Rolle der Lehrenden ist von größter Bedeutung im computergestützten Unterricht. Sie werden zu Lernberatern und Lernmanagern. Die Lehrenden haben mehr Zeit, sich um die Schwierigkeiten einzelner Lernender zu kümmern und können da helfen und betreuen, wo sie besonders gebraucht werden.

 

Das große Potential des Rechners wird im Deutschunterricht an der Universität Osaka gut genutzt. Lernende unternehmen in Kleingruppen virtuelle Deutschlandreisen im Internet und dokumentieren diese auf selbsterstellten Webseiten. Sie recherchieren landeskundliche Themen im Internet, sammeln im WWW Materialien für ein Theaterstück, führen Unterrichtsprojekte z.B. zum Thema Umweltschutz durch und erstellen darüber anschauliche Präsentationen mit Powerpoint. Sie übernehmen schrittweise die Lehrerrolle und präsentieren als Kleingruppe ihren Mitlernern auf dem Rechner selbst ausgewählte Texte, an denen die „Lerner als Lehrer“ u.a. auch grammatische Phänomene kontextualisiert vermitteln. Die Studierenden schreiben Texte über sich, ihr Leben und ihre Interessen und präsentieren diese auf Webseiten für die nächste Generation von Deutschlernenden an der Universität Osaka. Sie informieren sich auf den Webseiten einzelner Lehrender über Inhalt, Zeitplan und Aufgaben des Unterrichts und finden dort auch Links zu zahlreichen nützlichen Online-Informationen und -Hilfsmitteln. Man könnte diese Aufzählung interessanter Konzepte und Unterrichtsmodelle fortsetzen. Sie gibt einen Eindruck wie vielseitig computergestützter Unterricht sein kann und an der Universität Osaka oft ist. Der Computer allein ist jedoch keine Garantie für Unterrichtsqualität, gebraucht werden kreative und didaktisch gut ausgebildete Lehrkräfte. Die Universität Osaka hat davon glücklicherweise viele.